Wir basteln uns eine Kurbelwelle (Teil 1)

Gewissenhafte Leser unserer Rubriken werden sich nicht mehr über den immer wiederkehrenden Wahnsinn in unserer Werkstätte wundern. Nachdem die Sache mit den Pleueln sehr zur Zufriedenheit des Bestellers erledigt wurde und das Ausmaß der Kurbelwellenschäden schon wieder ungeheuere Höhen erreicht, sollte man sich doch mal weit aus dem Fenster lehnen und eine Kurbelwelle bauen.

Erste Frage:"Warum tut man sich sowas überhaupt an?"

Nun weil uns allen gewisse Dinge am A….. gehen und irgendwann sich irgendwer damit befassen muß.



Wie schon bei den Pleueln sind eine gewissenhafte Planung und der notwendige Maschinenpark eine Grundvorrausetzung für die Durchführung eines solchen Projektes.

Allerdings hat so eine Kurbelwelle wesentlich mehr Tücken als alles bisher Dagewesene.

Mal ein paar Worte zur Technischen Theorie:

2.1 Massenausgleich

Die freien Kräfte und Momente aus den rotierenden Massen des Kurbeltriebs lassen sich durch Gegenmassen auf der Kurbelwelle ausgleichen. Die aus den oszillierenden Massen des Kurbeltriebs und gegebenenfalls des Ventiltriebs entstehenden freien Kräfte und Momente erster und zweiter Ordnung werden durch zusätzliche Wellen mit Unwuchtmassen ausgeglichen. Höhere Ordnungen sind uninteressant, da sie betragsmäßig sehr klein sind. Der Koeffizient der vierten Ordnung, Gl.(2) beträgt selbst bei einem ungünstigen Pleuelstangenverhältnis von 0,33 nur 1% der 1. und 3% der 2. Ordnung, Gl.(3). Für die nicht vollständig ausgeglichenen Bauformen treten bei gleichmäßigen Zündabständen die in Tabelle 1 aufgeführten freien Kräfte und Momente auf.

Sie lassen sich mit IAV-eigenen Auslegungstools, für nahezu beliebige Zylinderzahlen und -anordnungen sowie Zünd- und Kröpfungsfolgen errechnen. Die Komponenten mit positivem Vorzeichen sind durch Wellen mit Motordrehrichtung auszugleichen, die mit negativem Vorzeichen durch Wellen mit entgegengesetzter Drehrichtung. Das Gleichheitszeichen steht für den maximalen Absolutwert, wenn keinerlei Ausgleich erfolgt. Erste Ordnungen in Motordrehrichtung werden durch Unwuchten auf der Kurbelwelle ausgeglichen. Für alle anderen Komponenten sind separate AGW erforderlich. Die Beträge freier Massenwirkungen hängen neben der Bauform von den oszillierenden Massen, der Drehzahl, dem Pleuelstangenverhältnis und dem Zylinderabstand ab, GI. (1) und Tabelle 1, so dass auch das Motorkonzept (Arbeitsverfahren, Nenndrehzahl) und die Hauptabmessungen (Hub, Bohrung, Pleuellänge, Zylinderabstand) die Größe der freien Kräfte und Momente beeinflussen.

Ein kleiner, aufgeladener R4-Ottomotor hat in kurzhubiger Ausführung nur 50% der freien Massenkräfte eines leistungsgleichen Saugmotors der gleichen Baureihe (Blockhöhe konstant), weil Drehzahlniveau, Kurbelradius und Pleuelstangenverhältnis reduziert werden können. Bei angepasstem Zylinderabstand (Zwickel gleich) ist bei kurzhubiger Ausführung die I. Ordnung 9% größer (oszillierende Masse) und die II. Ordnung 13% kleiner (Pleuelstangenverhältnis) als bei der langhubigen Variante. Bei einem Einheitsblock (Zylinderabstand gleich) sind Kurzhuber und Langhuber Variante in der 1. Ordnung gleich, während der Kurzhuber in der 2. Ordnung 20 % kleinere Massenmomente aufweist. Wird die 1. Ordnung mit einer AGW eliminiert, ergibt der Kurzhuber die kleinsten unausgeglichenen Massenwirkungen.

Soviel zur Theorie ...

Nachdem ich aber ein besserer Praktiker als ein Theoretiker bin habe ich halt mal die originale Hondawelle masslich erfasst und habe mich, mit der Hilfe eines Oberkurbelwellenfuzzis (Danksagung an den Herrn K. aus Schwechat), mit solchen Sachen wie Wuchtverhältnis, Meistergewicht, Torsion und Materiallehre beschäftigt. Auch auf die Erfahrungen des Herrn Brozek wurde mit Dank zurückgegriffen (nachdem der ja auch schon mal eine Welle gebaut bzw. umgebaut hat (und außerdem mit meinen Pleueln fährt)).

Nun gehen wir endlich zum wesentlichen Teil über:

Eine Zeichnung Bissl Material
Bissl Programm Endlich was Greifbares

Ein wichtiger Punkt ist das Verpressmaß Bolzen-Kurbelwange. Nachdem ich mit meinen eingeschränkten Pressmöglichkeiten mit Toleranzen so um 30.0mm Bolzen und 29.96mm Loch (man spricht von 4/100 Pressmaß) schon meine liebe Not habe, hat mich der Sager des Oberkurbelwellenfuzzi´s aus Schwechat volle Kanne geschockt:

"i brau a zehntel, die soll ja halten"

Ein ZEHNTEL???? - also sprich 30.00mm Bolzen zu 29.90mm Loch!?!?!?!?

Für den Nichttechiker zur Erklärung - das ist wie wenn man mit einem 4,23m langen Auto versucht in eine 3.88m tiefe Garage zu fahren - das geht nur mit sehr viel Kraft. Aber wir (Hr. Brozek und ich) haben dann auf des Meisters Presse, mit so ca. 120to eine Verpressung hergestellt



So, nachdem jetzt alles beieinander ist können wir endlich einbauen und das Ding mal testen.

Schaut gut aus

 

und läuft


In Teil 2 erfahren die Interessierten mehr über die ersten Testergebnisse und die daraus resultierenden Verbesserungen bzw. Erfahrungen mit unserem Eigenbauteil.